Woher kommt eigentlich Gin und welche Geschichte steckt hinter dieser vielseitigen Spirituose?

Hauchen wir doch der trockenen Historie etwas Leben ein und schauen, welche Entwicklungsstufen nötig waren, damit der beliebte Brand zu dem wurde, was er heute ist.

Etwa ab dem 12. Jahrhundert gelang die antike Kunst der Destillation wieder nach Europa. Im 8. und 9. Jahrhundert wurde Alkohol zunächst nur für medizinische Zwecke verwendet.

In dieser Epoche entstand das sog. „aqua ardens“ – das „brennende Wasser„, ein noch eher minderwertiges Destillat, welches etwa 100 Jahre später vom italienischen Arzt Taddeo Alderotti deutlich verbessert wurde.

Kein Gin ohne Wacholder

Bevor aber der Wacholder (engl. Juniper) in den Gin fand, sprach man seinen Beeren und dem ganzen Baum im 13. Jahrhundert eine heilende Wirkung zu, u.a. wurde er gegen Magen-Darm Probleme und Erkrankungen der Leber verwendet.

Zu Zeiten der großen Pest zwischen 1347 und 1353 setzte man riesige Hoffnungen in die desinfizierende Heilkraft von der Wacholderbeeren und Pflanze.

Wohnungen und Häuser wurden mit Wacholder ausgeräuchert und sogar die zu Pestzeiten bekannten Schnabelmasken mit Kräutern und Wacholder ausgestopft.

Tatsächlich wirken Wacholder und seine ätherischen Öle antibakteriell und verdauungsfördernd [1].

Gin Geschichte: Mann mit Schnabelmaske und Wacholderdunst

eine typische mit Wacholder und Kräutern gefüllte Schnabelmaske zu Pestzeiten | Photo by Kuma Kum – Unsplash

Von Genever zu englischem Gin

Ab dem 16. Jahrhundert wurde Alkohol weniger aus medizinischen Gründen destilliert, sondern vielmehr zu Genußzwecken. Man entwickelte Möglichkeiten, auch aus Getreide eine alkoholische Grundlage zu produzieren – ein Meilenstein.

Es entstanden landestypische Brände: Whisky aus Schottland, Wodka aus Russland oder Cognac aus Frankreich.

Nicht unbedingt in England wurden die ersten Ableger des Gins geboren, in Frankreich, den Niederlanden und Belgien entstanden etwa um 1550 die ersten Getreidebrände, die mit Wacholder aromatisiert wurden – der Genever.

Die Familie Bols, brannte um 1580 in Amsterdam ebenfalls mit Wacholder aromatisierte Spirituosen, die folgend in England zu reißendem Absatz und zunehmender Beliebtheit führten.

Franz de le Boë, besser bekannt unter dem Namen Franciscus Sylvius, war es, der schliesslich Wacholder mit Kräutern und Alkohol zu einer Medizin kombinierte. Sylvius war ein niederländischer Arzt und gilt als „Erfinder“ des Genever.

Zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und später auch dem Feldzug gegen Spanien, in welchem die Niederlande mit England im Bündnis standen, sollen sich die Niederländer mit ihrem Genever Mut angetrunken haben.

Die englischen Soldaten nahmen den Genever mit in die Heimat und kopierten ihn bald aufgrund seines Erfolges und der schnell gewonnenen Bekanntheit. Der Genever wurde der Einfachheit halber angelsächsisch in „Gin“ verkürzt.

1638 – die Worshipful Company of Distillers

1638 gründete der Leibarzt des englischen und französischen Königs, Théodore de Mayerne die „Worshipful Company of Distillers“ welche von Monarchenseite exklusiv das Recht für eine Alkoholherstellung im Londoner Raum zugesprochen wurde.

1692 veröffentlichte William Y-Worth, ein angesehener Alchemist und Freund von Isaac Newton, The Compleat Distiller. Darin berichtet er von den niederländischen Brennmethoden, hob diese hervor und kritisierte gleichzeitig die Verfahren der Worshipful Company.

Gin im Übermaß

Mit der Krönung von Wilhelm III. 1688 wurde ein Gesetz zur Förderung der landeseigenen Destillation von Weinbränden und Spirituosen erlassen. Steuern und Abgaben wurden reduziert, gleichzeitig französischer Branntwein verboten. Die Folge waren extrem geringe Gin-Preise und ein deutlicher Qualitätsverlust.

Mann mit Gin Herkunft und GeschichteEngland wandelte sich, die Armenviertel wuchsen und Gin wurde in Hülle und Fülle konsumiert, er war billig und der Handel boomte.

Es folgten die Jahre vom wachsenden Gin-Genuß aller Gesellschaftsgruppen. Der Gin wurde billiger und der Verbrauch stieg bis auf einen Jahreskonsum von 27 Millionen Liter.

Mehrere Gesetze zur Reduzierung des hohen Konsums wurden erlassen, aber Steueranhebungen und teurere Lizenzgebühren brachten zunächst nur wenig Veränderung.

Ein bekanntes Bild von William Hogarth mit dem Namen „Gin Lanezeigte 1751 die Schrecken und den Zerfall der Gesellschaft durch den anhaltend hohen Gin-Konsum.

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Schlechte Ernten und hohe Preise
Nach 1751 zeigte ein weiteres Gesetz mit weiteren Steueranhebungen zusammen mit schlechten Getreideernten endlich Wirkung – der Gin Verbrauch ging zurück. Die hohen Preise schreckten ab und die Qualität verbesserte sich.

Kleinere Destillen mussten schließen und ebneten den Weg für die Vorväter der heutigen bekannten Marken.

Alexander Gordon, Thomas Dakin (angeblich Grundrezept des Bombay Sapphire Gin) und die Familie Coates stiegen in das Geschäft ein.

Gin wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder ‚In‘, erreichte jedoch noch bei weitem nicht den Standard des niederländischen Genevers.

1800-1840 – Gin der nächsten Generation?

Zunächst war Gin noch immer das Getränk der Arbeiterklasse, es wurde nach wie vor mehr importiert, als im Inland produziert. Die Regierung griff ein und senkte kurzerhand die Steuern von 10 auf 6 Schilling [2].

Der pro Kopf-Verbrauch stieg wieder an und verdoppelte sich. Die Qualität der Brände war noch immer miserabel.

Es entstanden jedoch, im sonst weniger attraktiven Straßenbild Londons, sog. „Gin-Paläste„. Diese waren vergleichsweise gut ausgestattet und die hiesige Bevölkerung konnte elegante Drinks in stilvollem Ambiente genießen.

Doch auch das passte der Regierung nicht wirklich, die geringe Qualität auf der einen und ein solcher immenser Verbrauch auf der anderen Seite, war nicht das Ziel.

Also wurde die Biersteuer kurzerhand ausgesetzt und die Bevölkerung drängte zurück in die Wirtshäuser, die nun neuerdings auch mit einer verbesserten Atmosphäre lockten.

Gegen Ende der 1830er Jahre verschwanden die Gin-Paläste.

Rectifiers Club – mehr Qualität & standardisierte Brennmethoden

Ab 1820 traf sich diese Vereinigung der Gin-Brenner regelmäßig, um gegen minderwertige Brände vorzugehen und die Herstellungsmethoden zu verbessern. Die Meilensteine dieser Zeit:

  • 1827: Robert Stein nahm die Patent Continuous Still in Betrieb
  • 1832: Verbesserung der Continuous Still durch Aeneas Coffey
  • 1836: Mary Dakin destilliert den ersten „sauberen Basisbrand“
  • 1850: Sir Felix Booth bewirkt eine Senkung der Ausfuhrzölle, britischer Gin erobert die Welt

Gin Cocktails werden geboren

Als der Old Tom Gin, eine leicht gesüßte Variante, entstand, wurden auch Gin-Cocktails wie der (John) Tom Collins geboren. Der Old Tom stellt quasi eine Art Bindeglied zwischen dem Genever und späteren London Dry Gin dar.

John Collins indess, um den sich viele alte Mythen ranken, war um 1830 Oberkellner im Limmers Old House – ein Hotel in Mayfair.

Lauchlin Rose stellte 1862 den ersten bekömmlichen Limettensirup her und belieferte damit die Navy zur Skorbutvorsorge.

Die findigen Offiziere mixten diesen Lime Juice Cordial mit ihrer Ration Gin – der Gimlet entstand, ein süßsaurer Cocktail, benannt nach dem Marinearzt Sir Thomas Gimlette.

Und natürlich musste auch das bittere Tonic Water, die Medizin gegen Malaria, aufgepeppt werden. Womit? Natürlich Gin, die Geburt des Gin Tonic.

Prohibition macht erfinderisch

So gerade in Mode gekommen, wollte England natürlich einen großen Abnehmer, die USA, nicht aufgeben. Deshalb wurden die Briten in der um 1920-1933 herrschenden Prohibition erfinderisch.

Der Gin wurde über die Bahamas und Kanada ins Land und deren Flüsterkneipen eingeschleust.

Doch hatte dieser Aufwand und das damit verbundene Risiko aufzufliegen seinen Preis. Wo Drinks früher noch etwa 20 Cent kosteten, wurde jetzt schon das doppelte bis dreifache verlangt.

Prohibtion & Gin-Geschichte

Polizisten beim Konfiszieren von illegalem Alkohol um 1925 – archives de l‘ Ontario

Gin aus der Badewanne?

Ganz richtig, Gin aus der Badewanne, als Reaktion auf die gestiegenen Preise. Für den Bathtub Gin wurde billiger Industriealkohol mit Terpentin verschnitten, den widerlichen Geschmack kaschierten dann Sahne und Zucker.

Zu den heute noch prominenten Vertretern gehört der Ampleforths Bathtub Gin.

Der Trend nach 1933

Nach dem Ende der Prohibition begannen die Destillerien wie Pilze aus dem Boden zu schießen. Gordons und Gilbey streckten ihre Fühler in die USA aus und begannen dort ihre Brennereien zu eröffnen, Seagram tat es ihnen im Jahr 1939 in Kanada gleich.

Nach dem Krieg konnten die Drinks und der Gin nicht trocken genug sein und der Dry Martini wurde immer populärer. Es war schick und hatte Klasse, sich bereits nach dem Frühstück einen trockenen Martini aus der Hausbar zu gönnen.

Doch mit dem verstärkten Import von Wodka, der Gin angeblich in jedem Drink mühelos ersetzen könne, wurde Gin so langsam altmodisch und das Getränk der Snobs.

Der 1987 auf dem Markt gekommene Bombay Sapphire rettete jedoch dieses Image, die moderne blaue Flasche passte perfekt in diese Epoche und auch Beefeater wollte mitmischen.

Neue klassische Brände entstanden und bis heute gibt es über 5000 verschiedene Gins. Mehr als 700 davon kommen aus Deutschland.

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Quellen & Literatur

[1] Wikipedia – Wacholder – 10.11.2022

[2] How to Drink Gin: Vom Mixen und Trinken – 10. September 2016 Dave Broom 

[3] Gin: Alles über Geschichte, Herstellung, Sorten und Marken 

[4] Gin: Geschichte, Herstellung, Marken – 1. August 2015 Jens Dreisbach 


Zuletzt aktualisiert: 10.11.2022